Ich habe schon länger überlegt, diese Worte zu schreiben, es aber immer wieder verworfen. Der hauptsächliche Gedanke, wieso ich es verworfen habe, war, "die Leute hier haben schon genug eigene Probleme". Die, ich nenne es mal "Weltprobleme" noch sichtbar dazu zu stellen, macht das Leben nicht gerade einfacher. Aber gleichzeitig denke ich, dass ich nicht die Einzige sein kann, die sich über diese Dinge Gedanken macht, sich damit beschäftigt und vielleicht entsteht so ein Austausch, der irgendwie Erleichterung oder Perspektiven bringen kann.
Wenn ich anfange, darüber nachzudenken, in welcher Welt wir leben, möchte ich den Gedanken am liebsten gleich wieder beenden. Ich öffne Nachrichten und lese von Dingen, die mich sehr an der Welt und an der Menschlichkeit zweifeln lassen, die mich innerlich mit dem Kopf schütteln lassen und manchmal sogar so tief treffen, dass ich mich frage, wo in diesem ganzen Chaos noch Platz für das sein soll, was ich unter Menschlichkeit verstehe. Oft habe ich schon gar keine Lust mehr, die Nachrichten zu öffnen, weil ich am liebsten nicht sehen möchte, wie kalt und grausam diese Welt ist - davon wird sie aber leider auch nicht schöner, bunter oder heller.
Wir leben in einer Welt, in der Menschen um ihr Leben fürchten müssen, weil andere Meinungen, Ansichten, Glaubensansätze und Lebensweisen nicht einfach stehen gelassen und akzeptiert werden können. In einer Welt, in der Eltern ihren Kindern beibringen, in einer Notsituation "Mama" statt "Hilfe" zu schreien, weil das Wort "Hilfe" allein oft nicht mehr reicht, um diese zu bekommen, in der Hoffnung, dass es nicht ihr Kind sein wird, das dann keine Hilfe bekommt, wenn es sie braucht. In einer Welt, in der Täter, teilweise mehrfach, ihre Gewalt - und Machtspiele ausführen können, ohne eine große Strafe dafür fürchten zu müssen, während die Geschädigten nicht mehr wissen, wie sie ihr Leben leben sollen. In einer Welt, in der wir Dinge nicht einfach übersehen, sondern aktiv wegsehen, mit dem Blick auf das Handy Display und den Kopfhörern im Ohr die Welt um uns herum komplett ausblenden, während wir doch eigentlich mitten in ihr bestehen. In einer Welt, in der Menschlichkeit immer weniger bedeutet, der Blick immer öfter nur auf uns selbst geht, man sich nicht mehr traut oder einfach wegsieht, wenn wir doch eigentlich hinsehen und aktiv werden müssten. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso Menschen am helligten Tag auf belebter Straße verschwinden können, ohne, dass jemand etwas gesehen haben will. Menschen Mobbing erleiden müssen, ohne, dass jemand zumindest versucht, dieses zu unterbinden oder sich für die Leute einzusetzen. Kinder über Jahre verwahrlosen können, ohne dass jemand etwas merkt. Ältere sich mit ihrem Gepäck abquälen, während Andere blind an ihnen vorbei laufen, statt zu helfen. Menschen freiwillig sterben wollen, weil die Welt sie dazu bringt... Die Liste ist fast endlos... Und je tiefer ich nachdenke, desto mehr merke ich, dass es eine Welt ist, in der zwar Menschen leben, aber nur noch selten Menschlichkeit. Natürlich kann man jetzt dagegen stellen, dass es auch Gutes gibt, nicht jeder so ist, es genug Menschen gibt, die noch menschlich handeln. Meiner Meinung nach gibt es da aber kein "genug"... Nur weil es Helles gibt, ist das Dunkel nicht weg. Und ich habe noch nicht einmal angefangen, über Kriege, Macht - und Geldkämpfe der Politik, Klimawandel etc. zu schreiben, die es neben all dem auch noch gibt. Und in dieser Welt sollen wir, soll ich, leben und bestehen können? Bin ich wirklich die Einzige, die sich fragt, wie das gehen soll? Reicht es aus, bei sich selbst im Kleinen zu schauen, dass man menschlich bleibt, dem etwas entgegen stellt und versucht, um sich herum menschlich zu bleiben? Es ist bestimmt kein schlechter Weg - aber er schützt auch nicht vor denen, die das nicht tun.
Liebe Grüße
Girl
Guten Morgen,
wow, tolle Beiträge habt Ihr hier geschrienen. Heute morgen werde ich nicht ganz viel schreiben, vielleicht fällt mir aber noch etwas ein und ich hänge noch was dran. Mir gefällt gut die Haltung, vielleicht sogar Aufforderung: Sei ein guter Mensch (was das genau ist, dazu gibt es sicher unterschiedliche Auffassungen. Die Grundhaltung, schade keinen anderen, wird aber immer darin stecken, sonst würde diese Haltung keinen Sinn ergeben. Also eigentlich der kategorische Imperativ. Oder eine buddhistische Haltung, oder ....).
Ein guter Mensch zu sein allein, wird die Welt nicht retten. Sie aber ein klein wenig besser machen. Und das ist, was alle tun können: Die Welt ein klein wenig besser machen. Und "alle" sind dann doch ganz schön viele.
Vermutlich war es seit dem Bestehen der Welt so, dass Lebewesen gefährdet und bedroht waren. Und es hat sich für alle immer so angefühlt, als wäre es gerade jetzt besonders schlimm. Und alle hatten ja auch Recht. Gerade ist es auch besonders schlimm. Schwachmaten die überall regieren dürfen und sogar gewählt werden, Klimakatastrophe (schlechte Musik 😫), Kriege. Puh, wer da keine Angst bekommt, ist entweder extrem egoistisch, ignorant oder hat sonst irgendwas, von dem ich nicht weiß, was es heißt. Rückzug hilft jedoch nicht gegen die Angst. Sondern Handeln. Interesse, Aufrichtigkeit, Mitreden ... ein guter Mensch sein? Das hört sich einfach an. Ist es nicht. Oder doch?
Etwas verwirrte Grüße (und jetzt habe ich doch das ein oder andere Wort mehr geschrieben, als ich eigentlich wollte, ist hoffentlich nicht schlimm. Eigentlich wollte ich schreiben: Danke, für Eure tollen Beiträge).
Viele Grüße schickt
bke-Stephan
Hi Girl,
ich finde es toll, dass du das gepostet hast! Du sprichst mir aus der Seele. Ich denke auch sehr viel über die Welt und die Menschlichkeit nach. Ich frage mich immer wieder, wie man in solch einer kalten Welt überleben kann. Dabei sollte das Ziel ja „leben“ und nicht „überleben“ sein. Aber wenn man sich anschaut, was so alles passiert, also nicht mal die großen Dinge, wie Kriege, Krisen, Klimawandel, usw., sondern schon die kleinen Dinge, die quasi „nebenan“ passieren, dann wird einem richtig schlecht. Mir zumindest. Mich macht das leider auch sehr hilflos und diese Kälte der anderen Menschen überfordert mich und mir tut sie auch weh.
Man sagt immer, dass man für sich im Kleinen etwas verändern kann. Ich weiß auch nicht, ob das reicht. Aber was haben wir für eine andere Wahl? Wir können mit dem Bösen mitschwimmen und uns anpassen und hätten direkt eine Gemeinschaft gefunden oder wir treten für unsere Überzeugung ein und behandeln andere Menschen gut, sind höflich, wertfrei, dankbar und freundlich. Vielleicht auch mit Absicht mehr als nötig, um einen Kontrast zu schaffen.
Wenn beispielsweise die Kassiererin beim Einkaufen sehr freundlich ist, dann versuche ich mich für die Freundlichkeit zu bedanken. Die Kassiererin freut sich dann hoffentlich und andere sehen das und machen das dann vielleicht genauso in anderen Situationen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass man freundlich behandelt wird und deswegen finde ich es wichtig, dass man sich dafür bedankt. So stelle ich mir das Prinzip des Weitergebens vor. Ich habe die Zahlen vergessen, aber da gibt es Forschungen darüber, dass sich das immer weiter potenziert.
Manchmal stelle ich mir vor, man könnte einen riesigen Lautsprecher im Weltall aufbauen und auf der ganzen Erde bestimmte Lieder spielen. (Ich habe eine ganze Playlist dafür) Aber wahrscheinlich könnte man den bösen Menschen ins Gesicht brüllen, dass sie einem wehtun und sie würden das nicht verstehen, weil manche Leute, andere Menschen gar nicht wahrnehmen können. Sie sehen nur sich. Wahrscheinlich ist das, wie wenn man einem blinden Menschen einen Stummfilm zeigt.
Ich schaue keine Nachrichten mehr. Da bekomme ich nur Angstzustände und dunkle Gedanken. Diese Welt wird beherrscht von Ungerechtigkeit und narzisstischen Menschen. Das ist nur mein Eindruck. Damit spreche ich nicht für andere und ob das wirklich so ist, sei dahingestellt Aber wer von den Guten ist „hart“ genug, um in den höheren Ebenen zu bestehen? Ich glaube, dass genau darin das Problem liegt. Jeder, der halbwegs menschlich denkt und fühlt, der ist auf solchen entscheidenden Posten verloren und wird krank oder er passt sich an. Ich glaube nicht daran, dass sich in naher Zukunft unser alltägliches Leben erleichtern wird. Aber ich gehe auch lieber vom schlechten aus, um dann nicht zu sehr negativ überrascht zu werden, wenn es dann eintritt. Wenn es besser wird, habe ich eine größere Überraschung, um mich zu freuen.
Ich für mich hoffe ein wenig auf dieses Prinzip des Weitergebens in meiner eigenen kleinen Welt. Wenn ich freundlich bin zu anderen, wenn ich dankbar bin, wenn ich höflich bin, nicht über andere urteile, vielleicht kommt das bei manchen anderen an, sie freuen sich darüber und zeigen das auch mehr und geben es hoffentlich irgendwann weiter. Ich bedanke mich für Dinge, die andere für Selbstverständlich halten. Ich freue mich über jedes freundliche Lächeln und lächle zurück, usw.
Auf der anderen Seite finde ich es auch sehr schwer in so einer kalten Welt leben zu müssen und nicht immer kann ich auch die kleinen positiven Dinge sehen. Manchmal möchte ich auch auf so einer Welt nicht leben, weil der Hass, die Gewalt und Ignoranz manch böser Menschen mir all meine Kraft nehmen. Es ist schwer dagegen anzukämpfen, wenn man immer wieder auch davon gefangen genommen wird. Da setzt das „kleine freundlich sein“ und „Gutes sehen“ nicht viel entgegen. Ich will jetzt nicht zu negativ werden, aber ich denke, es ist wirklich ein Kampf sich aus den Schlingpflanzen des Bösen zu befreien. Aber vielleicht reicht einem der ein oder andere „Gute“ mal eine Schere oder bleibt zumindest in der Nähe und hält das mit aus. Vielleicht hat man irgendwann genug Scheren, um sich zu befreien. Irgendwann… Aber wenn man zu früh aufgibt, dann weiß man nicht, ob das Irgendwann mal kommt.
Das Dunkel geht nicht weg, nur weil es Helles gibt. Das stimmt. Aber würde man merken, dass es Helles gibt, wenn es kein Dunkel geben würde? Manchmal frage ich mich, ob es solche „Extremsituationen“ gesellschaftlich braucht, dass die Menschen erkennen, dass das Dunkel langsam zu groß wird und sie doch eigentlich das Helle wollen. Es schützt auch leider nicht vor dem Dunkel, wenn man sich entscheidet hell zu bleiben, aber vielleicht schützt es irgendwann, wenn man genug helle Menschen, um sich hat. (Ich weiß aber, dass das extrem schwer ist, sich so etwas aufzubauen und ob es möglich ist, weiß ich auch noch nicht, aber in der Theorie würde es Sinn machen.)
Sorry für den Roman, aber ich finde das Thema sehr wichtig und ich mache mir auch viele Gedanken darüber!
Liebe Grüße
Feline